Zu  meinen  Arbeiten

Bilder

Als ein wesentlicher Prüfstein des Denkens gilt das Spiel von Grenze und Überschreitung.  Die Künstlerin

Petra Füth bedient sich dieser Ludizität, indem sie gegen Regeln  konventioneller Wahrnehmungsmodi verstößt:

 “Durch Verwendung verschiedenfarbiger Stoffe, durch den Wechsel von einfarbigen und gemusterten Flächen kommt es zu unterschiedlichen Bildwirkungen bzw. Bildstrukturen. Die Bildflächen sind oft in klar voneinander abgesetzten, meist geometrisch bestimmte Formen gegliedert und streben durch Vereinigung von Farbe, Form und Struktur nach Ordnung und Harmonie. Aber nicht nur der Reiz des Materials, das Experimentieren und Kombinieren mit Farbe, Form und Struktur ist ausschlaggebend für den Ausdruck der Collagen, sondern auch der Zusammenschluss praktisch-realer Beobachtungen und selektiv transformierender Bearbeitung bzw. die Visualisierung von Emotionen, die den Betrachter in ein reflektiertes Erlebnis seiner eigenen Emotionalität verwickeln sollen.“ (Petra Füth)

Alle kreativen Repräsentationen, die kombinatorisch untereinander wie “Zeichen“ verbunden sind, bilden eine Art “Netzwerk“, das Umrisse verdoppelt, Formen vervielfacht und Linienspiele hervorbringt.

Aufgrund mehrdeutiger Bildtexturen entsteht eine eigenständige Dynamik, die mit dem Erleben authentischer Seherfahrungen einhergeht. Die schematisch-geometrischen Abstraktionen (Grundprinzip ihrer Bildgestaltung) sind auf das Unsichtbare hin angelegt, d.h. auf deren Analogien. Durch subjektive Seherfahrungen soll sich das Innere der Betrachtenden an der Tendenz der Bilder formen.

Schon Cèzanne machte in diesem Zusammenhang auf zwei Dinge aufmerksam, die der Maler hat: das Auge und den Verstand. Beide sollten einander unterstützen; dazu muss an ihrer wechselseitigen Herausbildung gearbeitet werden: beim Auge durch die Anschauung der Natur und beim Verstand durch die Logik organisierter Sinneseindrücke, welche die Ausdrucksmittel hervorbringt.

Petra Füth realisiert  “Sehöffnungen“, die es nur noch zu erkennen, zu begreifen gilt:

“ Der Stoff wird zerrissen, senkrecht und waagerecht – eine andere Möglichkeit des Reißens lässt der Stoff nicht zu. Die Stoffstücke werden aufgeklebt. Spielt das Haptische beim Zerreißen noch eine große Rolle, so bleibt beim geklebten Bild nur noch die Struktur des Stoffes. Die Stoffe treten beim Aufkleben von ihrem ’natürlichen’, d.h. industriellen Zustand, in einen anderen. Durch die Saugfähigkeit, durch das Aufkleben, werden die Stoffe fester, stabiler widerstandsfähiger, aber auch verletzlicher. Sie bekommen den Charakter von Papier.(...) Ich setze das Material als Ausdrucksmittel  ein - Vergänglichkeit von Stoffen - von Leben - von Utopie“ (Petra Füth)

Gewohnte Wahrnehmungskategorien werden systematisch aufgebrochen, so dass durch ein “Netzwerk“ neuer kommunikativer Bezüge eine ordnende und strukturierende Erkenntnisbewegung entsteht. Dazu bedient sich die Künstlerein des Symbolischen: schon im Griechischen bedeutet symballein zusammenwerfen – nichts anderes erfolgt mit den Stoffen; auch sie implizieren das Zeichenhafte, durch das die Dinge unterschieden werden, ihre Identität bewahren, sich lösen und verbinden. Nach ältesten Definitionen ist das Zeichen etwas, das für etwas anderes steht: aliquod, quo stat pro aliquo.

Zur Entschlüsselung des Zeichenhaften im Oeuvre Petra Füths sei einführend auf verschiedene Bildtitel verwiesen: “Verkündete Entfaltung“, “Diagonale Reihung“, “Liebe zur Geometrie“, “Stückwerk“, “ Un-Ordnung“, “Ohne Grenzen“, “ Alte Harmonie“ und “Geklebte Botschaft“.

Schon Galilei sprach von dem großen Buch des Universums, das uns ständig vor Augen liegt, aber nicht gelesen werden kann, wenn dessen Schrift nicht gelernt wurde: “Es ist in mathematischer Sprache geschrieben, und die Schriftzeichen sind Dreiecke, Kreise und andere geometrische Figuren.“

Ebenso müssen auch die Bilder Petra Füths dechiffriert werden, um die ihnen innewohnende “Natur“ zu lesen – in Richtung neuer dynamischer Einheiten und Gleichgewichte, denn ihren Werken liegt eine interne Ordnung (ordo) zugrunde, in der alle Unregelmäßigkeiten aufgehoben sind. Der innere Blick der Unruhe wird durch das äußere Sehen selbst zu einer ordnenden Einheit des Sehens.

So ist das Oeuvre der Künstlerin schließlich das materielle Substrat bzw. ein “physischer Ausdruck“ dessen, was unser Leben selbst ist: bestehend aus “Resten“, die dem zerstörenden zeitlichen “Eingriff“ unterworfen sind, ein DaSEIN aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das durch die folgende Aussage Ernst Jüngers reflektiert werden könnte: „Wenn die Welt aus den Fugen geht, entstehen Risse, durch die wir Geheimnisse der Architektur erraten, die uns gemeinhin verborgen sind.“

                                                                                       

                                                                                                        Alexandra  Hildebrandt